Esoterik im Dritten Reich

Als die Nazis pendeln wollten

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Das siderische Pendel ist aus der Esoterik bekannt. Dabei handelt es sich um einen festen Körper aus Metall, Stein oder anderen Materialien, der an einem Faden oder einer Kette hängt. Mit diesem Gerät sollen entsprechend begabte Personen angeblich Wasseradern, Menschen oder andere Dinge aufspüren können. Ein wissenschaftlicher Beleg hierfür konnte bisher noch nicht erbracht werden. Umso erstaunlicher ist es, dass es im Befehlsbereich der früheren deutschen Kriegsmarine zur Zeit des Zweiten Weltkriegs eine Abteilung zur Erforschung und Nutzung dieser esoterischen Behauptung gab.

Die "Abteilung Siderisches Pendel"

Aufgabe der "Abteilung Siderisches Pendel" sollte sein, für die U-Boote mittels eines Pendels gegnerische Kriegs- und Handelsschiffe auf See zu orten. Hierbei ging man wohl davon aus, dass es sich im Gegensatz zu den Behauptungen der Okkultisten nicht um eine Gabe einzelner Personen handele, sondern dass die Fähigkeit von jedem Menschen erlernt werden könne.

Die Koordination der Pendelortungsversuche lag nachweislich bei der Seekriegsleitung des Marinenachrichtendienstes (MND). In Zusammenarbeit mit dem MND war das Marinewaffenhauptamt, speziell das Generalreferat "Erfindungs- und Patentwesen", in diese Versuche involviert. Die genaue Zugehörigkeit dieser grenzwissenschaftlichen Arbeitsgruppe lässt sich jedoch nicht eindeutig rekonstruieren. Im Jahr 1942 hatte der MND mehrere "Arbeitsgemeinschaften" zur "Schwingungsforschung für den U-Boot-Krieg" gegründet, an denen auch die Patent-Abteilung der Marine beteiligt war. Es ist denkbar, dass die speziellen grenzwissenschaftlichen Forschungen innerhalb einer dieser Gruppen durchgeführt wurden, doch dafür gibt es keine klaren Belege.

Zur Tätigkeit des Generalreferats "Erfindungs- und Patentwesen" im Marinewaffenhauptamt sind nur wenige Informationen erhalten. Am 1. September 1942 wurde dieses Referat als Abteilung IV in die neue Amtsgruppe "Forschung – Erfindungen – Patentwesen" (FEP) integriert. Diese neue Amtsgruppe, unter der Leitung von Konteradmiral Wilhelm Rhein, bestand aus vier Abteilungen: FEP I (Allgemeine Forschungssteuerung), FEP II (Forschungsorganisation und Berichtswesen), FEP III (Forschungsabteilung) und FEP IV (Erfindungs- und Patentwesen). Ihre Aufgabe war es, der Marine umfassende Auskunft zu allen Fragen der Forschung, Erfindungen und des Patentwesens zu geben, Verbindungen zu Forschungsstellen zu pflegen und die Forschungstätigkeiten zu intensivieren. Diese Struktur entstand als Reaktion auf den zunehmend verlustreichen U-Boot-Krieg, der die deutsche Kriegsmarine zwang, ihre Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen auszubauen. Im Jahr 1943 war die Amtsgruppe ein gigantischer Apparat, der zahlreiche naturwissenschaftliche und technische Forschungsprojekte betreute. Allein 1943 wurden rund 1000 "Forschungsaufgaben" abgearbeitet, und die Abteilung FEP IV bearbeitete etwa 13 000 Anträge für Neuentwicklungen.

Das Dienstgebäude der Amtsgruppe "Forschung – Erfindungen – Patentwesen" (FEG) in der Admiral-von-Schröder-Straße 31/33 in Berlin-Tiergarten wurde in der Nacht zum 23. November 1943 bei einem Luftangriff vollkommen zerstört. Dabei wurden alle Akten vernichtet. Somit stützt sich sämtliche Forschung hauptsächlich auf Sekundärquellen von damals beteiligten Personen. Hauptsächlich sind dies die Erinnerungen "Tierkreis und Hakenkreuz" des Astrologen Wilhelm Wulff und einige Aufsätze der Parapsychologin Gerda Walther in diversen spiritistischen Magazinen.

Initiiert und geleitet wurde die Abteilung von Kapitän Hans A. Roeder. Roeder ging davon aus, dass sich die britische Royal Navy des siderischen Pendels bediente, um vermehrt deutsche U-Boote aufzuspüren. Gerda Walther gibt eine Zusammenfassung Roeders hierzu wieder:

Wir vermuten, dass die Engländer sich zur Feststellung der U-Boote des siderischen Pendels bedienen. Ich bin selbst Pendler. Ich glaube, dass physikalische Schwingungen vom Pendel registriert werden, es kommt nur darauf an, möglichst viele Menschen als Pendler ausfindig zu mache und dann möglichst schnell Kurse für unsere Matrosen einzurichten, in denen sie lernen, wie sie feindliche Schiffe auspendeln und so ihren Standort ermitteln können. (1)

Natürlich könnte auch die Tatsache, dass die Briten kurz vorher eine "Enigma"-Maschine, also jene legendäre Chiffriermaschine der Kriegsmarine, erbeuten konnten, am größeren Erfolg der Royal Navy beteiligt gewesen sein.

Die Pendelortungsversuche

Für die Abteilung wurden auch solche Okkultisten herangezogen, die erst kurz zuvor im Rahmen der Aktion gegen Geheimlehren und sogenannte Geheimwissenschaften nach dem England-Flug des Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß, verhaftet wurden. So saßen Gerda Walther und Wilhelm Wulff selbst im Konzentrationslager Fuhlsbüttel ein, bevor sie von der Abteilung Siderisches Pendel rekrutiert wurden. Insgesamt waren die Angehörigen der Gruppe bunt gemischt, wie Wilhelm Wulff schreibt:

Das Forschungsinstitut der Marine, dessen Aktivitäten streng geheim waren, wurde von einem Kapitän der Marine geleitet. Dieser Offizier befehligte eine sehr merkwürdige Truppe, zu der spiritistische Medien und Sensitive, Pendelforscher (Wünschelrutengänger, die ein Pendel benutzen statt einer Wünschelrute), Studenten der Tattwa (einer indischen Pendeltheorie), Astrologen und Astronomen, Ballistikexperten und Mathematiker. (2)

Den Arbeitsalltag in der Abteilung beschrieb Wilhelm Wulff in seiner Autobiographie wie folgt:

Tagein, tagaus hockten die Pendler mit ausgestreckten Armen über Seekarten. Die Ergebnisse waren natürlich erbärmlich. Was auch immer man über okkulte Phänomene denken mag, es war einfach lächerlich zu erwarten, dass eine unbekannte Welt auf diese dilettantische Weise gewaltsam erschlossen und für militärische Zwecke genutzt werden konnte. Selbst in den Fällen, in denen sich erste Erfolge einstellten, wurde nicht versucht, die Ergebnisse mit systematischen wissenschaftlichen Verfahren auszuwerten. (2)

Gerda Walther geht hier mehr ins Detail:

Ich musste zunächst Photographien abpendeln; die Art des Ausschlages wurde von meiner Mitarbeiterin, später teilweise auch von mir selbst, notiert und offenbar mit den Resultaten anderer verglichen, wobei das Ergebnis augenscheinlich befriedigend war. Dann wurden mir Abbildungen von Gebäuden, die mir unbekannt sein mussten, übergeben, und ich sollte auf einem grossen Atlas durch Konzentration auf die Gebäude und die Landkarte zu ermitteln suchen, wo diese Gebäude sich befanden. Ich war recht skeptisch, tat aber, was ich konnte, und wieder schien man zu meiner Verwunderung befriedigt. Dann gab man mir Abbildungen von deutschen Schiffen, deren Position ich auf der Karte durch Pendeln feststellen sollte! Mir schien das unmöglich, höchstens für speziell hierauf trainierte Hellseher mit Erfolg durchführbar, aber ich pendelte darauflos. Ob meine Ergebnisse, wenn überhaupt Treffer, mehr als durch den Zufall bedingt richtig waren, kann ich nicht sagen. Nachdem ich schon über eine Woche täglich in dieser Abteilung "gearbeitet" hatte, durfte ich auch an den "Dienstbesprechungen" teilnehmen. (3)

Aber es wurde nicht nur gependelt, laut Wulff gab es innerhalb der Gruppe Personen, die sich regelmäßig in Trance versetzten, um bestimmte Vorhersagen zu treffen. Dies deutet darauf hin, dass es in der Abteilung unterschiedliche Gruppen mit verschiedenen Aufgaben und Methoden gab. Roeder erwähnte selbst insgesamt sieben Unterabteilungen. Es wurden auch technische Fragen erörtert, wie etwa die Beschaffenheit der Pendel und des dazugehörigen Zubehörs. Wilhelm Hartmann, ein Berufsastronom aus Nürnberg, und von der Luftwaffe abkommandiert, war zudem dafür zuständig, den Einfluss von Sonne und Mond auf das Verhalten des Pendels zu untersuchen.

Verschiedene Ansätze

Die Arbeitsgruppe setzte sich aus sehr unterschiedlichen Personen zusammen, was zu Konflikten bezüglich der Zielsetzung und der verwendeten Methoden führte. Hartmann soll die gesamte Forschung ohnehin für "Unsinn" gehalten haben. Techniker wie Roeder hofften auf Erkenntnisse über die physikalischen Eigenschaften des Pendels, während die Grenzwissenschaftlerin Gerda Walther eher paranormale Phänomene als mögliche Erklärung für die Ergebnisse in Betracht zog. Roeder selbst verfolgte einen materialistischen Ansatz und zeigte kein Interesse an psychologischen oder parapsychologischen Aspekten.

Gerda Walther hierzu:

Ich vertrat die Ansicht, dass die Schwingungen des Pendels durch das Unterbewusstsein verursacht und die englischen Versuche das Ergebnis eines speziell auf Lokalisierung von Schiffen trainierten Hellsehens seien. Kapitän Roeder war anderer Ansicht, es handle sich um einen rein physikalischen Vorgang, physische Strahlen, die von den Objekten ausgingen und das Pendel in Bewegung setzten. Wir müssten möglichst bald soweit kommen, dass jeder Matrose nach Absolvierung eines Pendelkurses imstande sei, feindliche Schiffe zu orten. Ich wandte ein: wenn die Sache rein physikalisch sei, müsste doch das gleiche Schiff bei verschiedener Fracht (Menschen, Munition, Proviant z. B.) verschiedene Ausstrahlungen entsenden und schon deshalb nicht, wenigstens nicht als identisch dasselbe, ortbar sein. Das leuchtete ihm ein, er wollte mich mit sehr gutem Gehalt für eine neu zu schaffende Abteilung anstellen, in der man dies anhand von verschieden zu beladenden Modellschiffchen nachprüfen wollte. (3)

Diese Ablehnung parapsychologischer Ansätze durch den Abteilungsleiter und moralische Skrupel, an der Tötung von Menschen beteiligt zu sein, führte schließlich dazu, dass Walther nicht weiter mitarbeitete.

Das Ende der Abteilung

Keine der Gruppen konnte aber irgendwelche Erfolge erzielen. Auch eine kurzzeitige Verlagerung der Abteilung auf die Insel Sylt brachte keine besseren Ergebnisse, im Gegenteil, die dort durchgeführten Versuche waren noch weniger erfolgreich als die in Berlin. Insgesamt konnte die Abteilung Siderisches Pendel trotz intensivster Bemühungen, keinerlei militärisch verwertbare Ergebnisse erzielen, woraufhin sie im November 1942 eingestellt und die Abteilung aufgelöst wurde.

Die Bedingungen, unter denen die offizielle Tätigkeit der Abteilung SP beendet wurde, verdeutlichen erneut den militärischen und funktionalen Rahmen, in dem die Versuche zur Pendelortung stattfanden. Es wurden Tests durchgeführt, die potenziell für die Kriegsführung von Bedeutung sein könnten, auch wenn die zugrunde liegenden Ideen und Konzepte zunächst als ungewöhnlich erschienen.


Zitierte Literatur

(1) Walther, Gerda: Die geheimnisvolle Gruppe des "Siderischen Pendel" (SP) im deutschen Oberkommando der Marine während des zweiten Weltkrieges. In: Radiästhesie, Geopathie, Strahlenbiologie. 15(1965). Nr. 71. S. 193-197.

(2) Wulff, Wilhelm: Tierkreis und Hakenkreuz: Als Astrologe an Himmlers Hof. Gütersloh: Bertelsmann, 1968.

(3) Walther, Gerda: Der Okkultismus im Dritten Reich. In: Neue Wissenschaft. 1(1950/51). H. 4. S. 29-34.

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